Zwanzigster Juli 1944

Zwanzigster Juli 1944
Zwanzigster Juli 1944
 
Bei den Männern und Frauen des deutschen Widerstands waren seit der Sudetenkrise 1938 mannigfache Überlegungen angestellt worden, wie man Hitler in den Weg treten könne, um die vorhersehbare Katastrophe, in die seine Politik das deutsche Volk führen musste, noch abzuwenden. Doch erst in den Kriegsjahren hatte sich in der Widerstandsbewegung die Erkenntnis allgemein durchgesetzt, dass nur der Tod des Diktators die Voraussetzung für ein Gelingen des Staatsstreiches sein konnte. Nachdem bereits mehrere Attentatspläne schon im Vorstadium gescheitert waren, ruhten jetzt, im Sommer 1944, die letzten Hoffnungen der Verschwörer auf dem jungen Oberst Claus Graf Schenk von Stauffenberg. Der nach seiner schweren Verwundung in Afrika als Stabschef zum Ersatzheer versetzte Offizier hatte als einziger aus dem Kreis des Widerstandes direkten Zugang zu den Lagebesprechungen im Führerhauptquartier. Er war zum entschiedenen Gegner des Hitlerregimes geworden, als er im Osten Zeuge einer Massenexekution von Frauen und Kindern durch SS-Einheiten geworden war. Stauffenberg musste persönlich die von ihm eingestellte Zeitbombe in seiner Aktentasche in den Besprechungsraum bringen, aber zugleich hatte er die Aufgabe, mit der Bekanntgabe des Schlüsselwortes »Hitler ist tot« die Aktion »Walküre« auszulösen, den Staatsstreich einzuleiten, mit dem im Reich und in den besetzten Gebieten die Wehrmachtbefehlshaber sofort alle höheren SS- und Parteidienststellen besetzen, die SS entwaffnen und die SS- und Parteiführer verhaften sollten.
 
Der Anschlag scheiterte, die Bombe explodierte zwar, aber Hitler wurde nur leicht verletzt, weil ein Teilnehmer der Besprechung die Aktentasche mit der Zeitbombe kurz vorher vom Platz des »Führers« weg und zur Seite gestellt hatte. Stauffenberg, der erst drei Stunden nach dem Attentat wieder in Berlin eintraf, glaubte, dass Hitler tot sei, und gab das Startzeichen zur Auslösung der Aktion. Doch da waren schon Nachrichten aus dem Führerhauptquartier durchgesickert, dass Hitler am Leben geblieben war. Jetzt weigerten sich einige der Armeebefehlshaber, Weisungen aus Berlin entgegenzunehmen, wenn Hitler lebte, andere distanzierten sich sogleich von jeglichen Staatsstreichsplänen, zumal jetzt aus dem Führerhauptquartier Befehle telefonisch durchgegeben wurden, den Verschwörern den Gehorsam zu verweigern. Der Kommandeur des Berliner Wachbataillons, der den Auftrag hatte, den Propagandaminister Goebbels zu verhaften, wurde von diesem persönlich mit Hitler verbunden, der ihm den Befehl gab, sofort den Aufstand niederzuschlagen. In dem Wirrwarr, der sich in den Abendstunden des 20. Juli im Gebäude des Heeresersatzamtes in der Berliner Bendlerstraße abspielte, brach der Aufstand zusammen. Stauffenberg und drei weitere Offiziere wurden noch in der Nacht im Hof der Bendlerstraße erschossen. Hitler übertrug dem Reichsführer SS Himmler das Oberkommando des Ersatzheeres und beauftragte ihn, die Verschwörer und alle Mitwisser zu verhaften. Gegen die Familienangehörigen wurde »Sippenhaft« verhängt. Durch unglückliche Umstände fiel der Gestapo Material in die Hände, aus dem die Verbindungen der militärischen Verschwörer zu zivilen Widerstandsgruppen zu erkennen waren. Insgesamt sind aus dem engeren Widerstandskreis etwa 200 Männer und Frauen vor den Volksgerichtshof geschleppt und später hingerichtet worden; die Zahl der im weiteren Zusammenhang mit den Vorgängen des 20. Juli Verhafteten wird auf rund 7 000 geschätzt; bis zum Kriegsende wurden Tausende hingerichtet.
 
Hitler versuchte, die hinter dem Attentat stehenden Kreise verächtlich zu machen und ihre Bedeutung abzuschwächen, indem er verkündete, es habe sich um eine »ganz kleine Clique ehrgeiziger Offiziere« gehandelt. Er selbst nahm seine Errettung zum Anlass, wieder einmal die »Vorsehung« zu zitieren, die ihn vor dem Tode bewahrt habe, damit er sein großes Werk vollenden könne.
 
Welche Chancen zur Beendigung des Krieges und zur Demokratisierung ein Gelingen des Staatsstreichs tatsächlich eröffnet hätte, bleibt allerdings ungewiss.

Universal-Lexikon. 2012.

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